Wir luden alle Akteur*innen und Interessierte aus dem Landwirtschafts- und Bildungsbereich zur traditionellen Bundestagung Lernort Bauernhof 2024 ein.
Wissenschaftstagung Lernort Bauernhof
Landwirtschaft und Schule: Politische Bildung am Lernort Bauernhof
Unter diesem Thema trafen sich vom 11. bis 13. Juli 2023 rund 60 Personen in der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien. Es war die 6.Tagung dieser Art seit 2010, in der Teilnehmende aus verschiedenen europäischen Ländern innovative Konzepte zum Lernen auf dem Bauernhof Forschungsergebnisse einander vorstellen und diese diskutierten.
Eröffnet wurde die Tagung von Dr. Thomas Haase, Rektor der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, als ausrichtender Institution. Anschließend stellten die Koordiantor*innen der Wissenschaftsinitiative in der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e. V. (BAGLoB), Dr. Malte Bickel, Heike Delling, Dr. Gabriele Diersen und HS-Prof. Dr. Lara Paschold die Wissenschaftsinitiative als Mitorganisatorin der Tagung vor und hießen die Teilnehmenden Willkommen.
Der Kongress bot den anwesenden Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen die Möglichkeit zum fachlichen Austausch in wissenschaftlichen Vorträgen, praxisorientierten Workshops, transdisziplinären Plenumsveranstaltungen und Exkursionen.
In seinem Eröffnungsvortrag zeigte Prof. Dr. Bernd Overwien von der Humboldt-Universität zu Berlin auf, dass es am Lernort Bauernhof – aufgrund der dort sichtbaren Interdependenzen zwischen den Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft – keine unpolitische Bildungsarbeit geben kann. Als mögliche Inhalte einer solchen Bildungsarbeit schlug Overwien die landwirtschaftliche Tierhaltung, die EU-Agrarpolitik, den internationalen Handel mit Agrarprodukten oder den Stoffeintrag in Boden und Atmosphäre vor.
Prof. Dr. Leif Olav Mönter, Prof. Dr. Martina Flath und Dr. Hannah Lathan von der Universität Vechta erläuterten, wie Transformationsprozesse in ländlichen Räumen durch Bildungsangebote aktiv gestaltet werden können. In ihrem Vortrag, an den sich ein Workshop zur politischen Bildung im Kontext von Transformationsprozessen in ländlichen Räumen anschloss, betonten sie die Bedeutung einer kritischen Analyse der vorherrschenden (politischen) Strukturen, Interessen und Konflikte, um politische Bildung am Lernort Bauernhof zukunftsfähig zu machen. Dabei müssten Grenzen zur Diskussion gestellt werden, um die Möglichkeit ihrer Überwindung ins Auge zu fassen, so ihr Fazit.
Zahlreiche Vorträge und Workshops, die in parallelen Sessions stattfanden, zeigten ein sehr vielfältiges Bild aktueller Forschungsarbeiten. Darüber hinaus lud ein Workshop dazu ein, einen Escape Room als Methode der politischen Bildung am Lernort Bauernhof zum Thema Landwirtschaft und Klimawandel kennenzulernen und selbst auszuprobieren.
Am Exkursionstag ging es „Raus auf den Bauernhof“, um auf einem Green Care-Betrieb, beim Verein für Natur- und Gesundheitsbildung für Kinder und Jugendliche sowie beim größten Urban Farming Projekt Österreichs (einem Zusammenschluss von rund 20 ökologischen und sozialen Organisationen und Kulturschaffenden) Einblicke in die Praxis zu gewinnen und mit den Praktiker*innen in Austausch zu treten.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden die gewonnenen Einblicke und Eindrücke entlang der Frage „Wie politisch ist der Lernort Bauernhof“ diskutiert. Dabei zeigte sich, dass der Lernort Bauernhof nach wie vor ein faszinierender Forschungsgegenstand und Lernort für alle Altersgruppen ist. Die Vielfalt der Angebote nimmt weiter zu. Entlang der großen Querschnittsthemen des Bildungsdiskurses finden sich zunehmend Angebote, die die Ziele der politischen Bildung – Entwicklung einer politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit – fördern. Darüber hinaus wurde in der Diskussion die große Bedeutung einer engen Zusammenarbeit von Forschung und Praxis für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Lernortes Bauernhof betont.
Bericht zur BAGLoB-Südtagung 2022
Quellen der kindlichen Entwicklung auf dem Bauernhof
70 Teilnehmende informierten sich zum Thema Lernort Bauernhof bei der ersten BAGLoB-Südtagung Ende Oktober in der Schwäbischen Bauernschule in Bad Waldsee.
„Damit Kinder lernen ist es wichtig, ihnen eine stressfreie Atmosphäre zu schaffen“ so Referent Herbert Renz-Polster. Als Kinderarzt und Wissenschaftler hat Herbert Renz-Polster viele Bücher und Arbeiten über die kindliche Entwicklung veröffentlicht. Seine Ausführungen machten deutlich, dass der Bauernhof einen idealen Ort darstellen kann, an dem Kinder echte, konkrete und originäre Erfahrungen machen und vielseitige Fähigkeiten erwerben können. Viele dieser Erfahrungen sind für Kinder und ihre Lebensbewältigung prägend. Der eigentliche Treibsatz der kindlichen Entwicklung – und auch die Essenz dessen, was allgemein als „Abenteuer“ bezeichnet wird, ist das von Renz-Polster beschriebene „Kribbel-Lernen“, welches in leuchtenden und wachen Kinderaugen sichtbar wird. Für die spielerische Entwicklungsbewältigung suchen sich Kinder – wenn sie können – einen adäquaten, und das heißt möglichst wenig strukturierten und damit gestaltbaren Entdeckungs- und Gestaltungsraum, in dem sie sich im Spannungsfeld zwischen Entdeckerfreude und Angst innere Schätze für sich entdecken und bergen, so Renz-Polster in seinem Vortrag. Der Bauernhof bietet mit seinen vielfältigen Bereichen die Möglichkeit diese Quellen der Entwicklung „anzuzapfen“ und Beziehungen zu Bäumen, zu Pflanzen, Tieren aber auch zu immer wiederkehrenden Abläufen, zu Stimmungen und Gerüchen für eine Vielzahl an Kindern erfahrbar zu machen.
Mit diesem Blick begann die Tagung, die erstmals in diesem zweitägigen Format in Süddeutschland von der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof (kurz BAGLoB) angeboten wurde. Nach dem Vortrag reflektierten die Teilnehmenden, vor allem LandwirtInnen und PädagogInnen, welche Erfahrungsräume in der pädagogischen Arbeit mit Kindern auf den Höfen bereits genutzt werden.
Der zweite Tag stand unter dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“. Ein großer Teil der Teilnehmenden sind erfahrene BauernhofpädagogInnen, die seit vielen Jahren ihre Höfe für Kinder und teils auch für Erwachsene öffnen. So wie Ingeborg Farion aus Ichenhausen (Bayern), die den TagungsteilnehmerInnen mithilfe eines lebendigen Erfahrungsberichts ihren Weg zur Erlebnisbäuerin schilderte. Seit 2014 bietet die Erlebnisbäuerin ein pädagogisches Programm an, welches von Schulklassenbesuche über Jahreszeitenkurse bis hin zu Eltern-Kind-Veranstaltungen reicht. Ihre Angebote haben sich als ein wichtiges Standbein für den Bioland-Betrieb entwickelt. Mittlerweile muss die Bauernhofpädagogin keine Werbung mehr für ihre Veranstaltungen machen. Ihren Weg fand sie unter anderem durch den Austausch mit Gleichgesinnten, durch „netzwerken“ und über diverse Fortbildungsveranstaltungen.
In fünf Workshops konnten die Teilnehmenden der Tagung zudem neues Wissen erlangen und selbst aktiv werden. Elisabeth Seiler vom Heuhüpfer e.V. in der Nähe von Hannover zeigte Beispiele wie das komplexe Thema Landwirtschaft und Klimawandel für Kinder und Jugendliche anschaulich auf pädagogische Programme runtergebrochen werden kann. Wie man die hofeigenen Produkte zu einer leckeren Mahlzeit gemeinsam mit Kindern am Feuer zubereitet, davon berichteten die beiden erfahrenen Bauernhofpädagoginnen Sonja Ostermayer (Hofgut Rengoldshausen) und Susanne Rieber (Hof Höllwangen) und gaben dabei ihre Expertise weiter, welches Equipment beim Outdoor-Cooking hilfreich ist und wie das Kochen mit Kindern am Feuer am besten gelingen kann.
Mit der richtigen Schnitztechnik lassen sich in kurzer Zeit nicht nur mit Kindern z.B. kleine Flöten oder Vögel schnitzen. Holzbildhauer und Bauernhofpädagoge Sascha Vogelmann aus Hüffenhardt leitete dazu die Teilnehmenden an. Dass sich auch Bienen für die pädagogische Arbeit wunderbar einsetzen lassen, davon konnten sich die Teilnehmenden beim Workshop „Bienen in der bauernhofpädagogischen Arbeit“ mit Ulrich Hampl überzeugen. Der Bauernhof bietet sich als idealer Lernort im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an. Heike Delling und Lisa Klein führten in das Konzept BNE ein. Bei einem „Hof-Check“ konnten die Teilnehmenden selbst erörtern, an welchen Stellen sie ihre Programme im Sinne von BNE bereits umsetzen.
Neben den zahlreichen Informationen und Workshops gab es auch Zeit für Begegnungen und Austausch. Dieses neue Tagungsformat war ein Erfolg und stellt für die Zukunft ein denkbares regionales Zusatzangebot neben den jährlich von der BAGLoB organisierten Bundestagungen dar. Die Bundestagung Lernort Bauernhof ist der Treffpunkt für Akteure rund um das Lernen am Bauernhof und findet jährlich mit über 200 Teilnehmenden statt. Die nächste Tagung findet vom 17. März bis 19. März 2023 in Bielefeld (NRW) statt. 2024 können sich Interessierte wieder in Baden-Württemberg zusammenfinden und voneinander lernen, was den Lernort Bauernhof besonders macht.