Wissenschaftstagung Lernort Bauernhof

Landwirtschaft und Schule: Politische Bildung am Lernort Bauernhof

Unter diesem Thema trafen sich vom 11. bis 13. Juli 2023 rund 60 Personen in der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien. Es war die 6.Tagung dieser Art seit 2010, in der Teilnehmende aus verschiedenen europäischen Ländern innovative Konzepte zum Lernen auf dem Bauernhof Forschungsergebnisse einander vorstellen und diese diskutierten.

Eröffnet wurde die Tagung von Dr. Thomas Haase, Rektor der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, als ausrichtender Institution. Anschließend stellten die Koordiantor*innen der Wissenschaftsinitiative in der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e. V. (BAGLoB), Dr. Malte Bickel, Heike Delling, Dr. Gabriele Diersen und HS-Prof. Dr. Lara Paschold die Wissenschaftsinitiative als Mitorganisatorin der Tagung vor und hießen die Teilnehmenden Willkommen.

Der Kongress bot den anwesenden Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen die Möglichkeit zum fachlichen Austausch in wissenschaftlichen Vorträgen, praxisorientierten Workshops, transdisziplinären Plenumsveranstaltungen und Exkursionen.

In seinem Eröffnungsvortrag zeigte Prof. Dr. Bernd Overwien von der Humboldt-Universität zu Berlin auf, dass es am Lernort Bauernhof – aufgrund der dort sichtbaren Interdependenzen zwischen den Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft – keine unpolitische Bildungsarbeit geben kann. Als mögliche Inhalte einer solchen Bildungsarbeit schlug Overwien die landwirtschaftliche Tierhaltung, die EU-Agrarpolitik, den internationalen Handel mit Agrarprodukten oder den Stoffeintrag in Boden und Atmosphäre vor.

Prof. Dr. Leif Olav Mönter, Prof. Dr. Martina Flath und Dr. Hannah Lathan von der Universität Vechta erläuterten, wie Transformationsprozesse in ländlichen Räumen durch Bildungsangebote aktiv gestaltet werden können. In ihrem Vortrag, an den sich ein Workshop zur politischen Bildung im Kontext von Transformationsprozessen in ländlichen Räumen anschloss, betonten sie die Bedeutung einer kritischen Analyse der vorherrschenden (politischen) Strukturen, Interessen und Konflikte, um politische Bildung am Lernort Bauernhof zukunftsfähig zu machen. Dabei müssten Grenzen zur Diskussion gestellt werden, um die Möglichkeit ihrer Überwindung ins Auge zu fassen, so ihr Fazit.

Zahlreiche Vorträge und Workshops, die in parallelen Sessions stattfanden, zeigten ein sehr vielfältiges Bild aktueller Forschungsarbeiten. Darüber hinaus lud ein Workshop dazu ein, einen Escape Room als Methode der politischen Bildung am Lernort Bauernhof zum Thema Landwirtschaft und Klimawandel kennenzulernen und selbst auszuprobieren.

Am Exkursionstag ging es „Raus auf den Bauernhof“, um auf einem Green Care-Betrieb, beim Verein für Natur- und Gesundheitsbildung für Kinder und Jugendliche sowie beim größten Urban Farming Projekt Österreichs (einem Zusammenschluss von rund 20 ökologischen und sozialen Organisationen und Kulturschaffenden) Einblicke in die Praxis zu gewinnen und mit den Praktiker*innen in Austausch zu treten.

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden die gewonnenen Einblicke und Eindrücke entlang der Frage „Wie politisch ist der Lernort Bauernhof“ diskutiert. Dabei zeigte sich, dass der Lernort Bauernhof nach wie vor ein faszinierender Forschungsgegenstand und Lernort für alle Altersgruppen ist. Die Vielfalt der Angebote nimmt weiter zu. Entlang der großen Querschnittsthemen des Bildungsdiskurses finden sich zunehmend Angebote, die die Ziele der politischen Bildung – Entwicklung einer politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit – fördern. Darüber hinaus wurde in der Diskussion die große Bedeutung einer engen Zusammenarbeit von Forschung und Praxis für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Lernortes Bauernhof betont.

Rückblick: Grundqualifizierung für den Lernort Bauernhof in Hessen 2023

Rückblick: Lebendiger Lernort Bauernhof
Grundqualifizierung für den Lernort
Bauernhof in Hessen 2023

Landwirtinnen und Landwirte erhielten Zertifikate für die Qualifizierung zur Bauernhofpädagogik

In der letzten Novemberwoche fand die Abschlussveranstaltung der hessischen Grundqualifizierung zur Bauernhofpädagogik „Lebendiger Lernort Bauernhof 2023“ auf der Hessischen Staatsdomäne Frankenhausen statt. Neun Landwirtinnen und zwei Landwirte schlossen diese Qualifizierung erfolgreich ab und erhielten das begehrte Zertifikat als Baustein zur Förderung im Rahmen der Initiative „Bauernhof als Klassenzimmer“.

Dokumentation

Schwerpunkte der zugrunde liegenden 12-tägigen Weiterbildung waren Didaktik und Öffentlichkeitsarbeit, praktische Erfahrungen mit Lerneinheiten auf Höfen, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sowie Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Darüber hinaus ging es um organisatorische Fragen, die Versicherungen oder auch die Kostenkalkulation. Gefördert wurde die Qualifizierung vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) im Rahmen des Klimaplans.

Die Qualifizierung startete im Juni auf dem Hofgut Oberfeld bei Darmstadt und führte die Teilnehmenden in 4 mal 3 Tagen über das Hofgut Gnadenthal bei Limburg und den Biolandhof ÖX bei Eschwege bis hin zur Staatsdomäne Frankenhausen – allesamt Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof. Überall gab es konkrete Anknüpfungspunkte und Beispiele, um den Bauernhof zum attraktiven außerschulischen Partner für Kindergärten und Schulen zu entwickeln. Von der Begegnung mit Hühnern über die Diskussion zur Schweinehaltung oder das Kennenlernen im Kuhstall bis hin zum Ernten und Zubereiten von Feldfrüchten sammelten die Teilnehmenden Tipps und Tricks, wie Besuchergruppen unterschiedlichen Alters erlebnisorientiert den Hof für sich entdecken können.

Ziel des Seminarangebots der BAGLoB (Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e.V.) ist es, viele Landwirtinnen und Landwirten, aber auch Pädagoginnen und -pädagogen zu motivieren und zu befähigen, Bildungsarbeit auf Bauernhöfen anzubieten. Mit theoretischem Wissen und praktischen Erfahrungen ausgestattet, gestalten sie zielgruppenspezifisch vom Kindergarten über die Schule bis zu Erwachsenengruppen Lerneinheiten, die den Besucherinnen und Besuchern intensive Eindrücke in der Landwirtschaft ermöglichen. Das letzte Modul der Qualifizierung auf der Staatsdomäne Frankenhausen wurde von allen Teilnehmenden und den beiden Seminarleiterinnen Annette Müller-Clemm und Kerstin Ahrens mit Spannung erwartet. Schließlich ging es für die Teilnehmenden nun darum, ihr eigenes Konzept für ein pädagogisches Angebot auf ihrem Hof zu präsentieren.

„Ich bin dankbar für die Teilnahme an dieser Qualifizierung, weil sie mir die Gelegenheit bot, mein Angebot zu durchdenken und mein Profil zu schärfen, um dann 2024 tolle neue Angebote auf meinem Lernort machen zu können“, fasste Katharina Hüppe vom Kastanienhof in Wolfhagen ihre Erfahrungen zusammen. Judith Jepards, Biobäuerin eines Milchviehbetriebs aus Betzenrod, ergänzte: „Wir haben in den letzten Monaten alles Rüstzeug erhalten, um loslegen zu können.“ Besonders der Erfahrungsaustausch untereinander war für die Teilnehmenden sehr wertvoll. Einig sind sich alle darüber, dass es neben dem Fachwissen einer ausgefeilten Methodenkompetenz bedarf, um nachhaltig wirkende Erfahrungen bei den kleinen und großen Hofgästen zu schaffen. „Mit unseren handlungsorientierten Angeboten wollen wir dazu beitragen, die Kluft zwischen Produzenten und Konsumenten zu überwinden“, sagte Bent Elvers vom Landwirtschaftsbetrieb „Alles im grünen Bereich“ aus Niederkaufungen.

Dr. Malte Bickel, Vorstandsmitglied der BAGLoB, zeigte sich begeistert von der Vielfalt der präsentierten Konzepte und der hohen Motivation: „Diese Gruppe macht deutlich, wie innerhalb kurzer Zeit Neugierde und Spaß an der Zusammenarbeit sowie Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung entstanden sind.“ Nach der Überreichung der Zertifikate wünschte er allen Teilnehmenden viel Erfolg bei der Umsetzung des Erlernten und ermutigte sie, im Austausch zu bleiben. .

Ein neuer Durchgang der Qualifizierung „Lebendiger Lernort Bauernhof 2024“ startet am 18. März 2024 und wird am 15. November 2024 abgeschlossen sein. Eine Anmeldung ist ab sofort möglich. Interessierte können sich mit Fragen dazu an die Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof unter kontakt@baglob.de wenden.

Bericht zur BAGLoB-Südtagung 2022

Quellen der kindlichen Entwicklung auf dem Bauernhof

70 Teilnehmende informierten sich zum Thema Lernort Bauernhof bei der ersten BAGLoB-Südtagung Ende Oktober in der Schwäbischen Bauernschule in Bad Waldsee.

„Damit Kinder lernen ist es wichtig, ihnen eine stressfreie Atmosphäre zu schaffen“ so Referent Herbert Renz-Polster. Als Kinderarzt und Wissenschaftler hat Herbert Renz-Polster viele Bücher und Arbeiten über die kindliche Entwicklung veröffentlicht. Seine Ausführungen machten deutlich, dass der Bauernhof einen idealen Ort darstellen kann, an dem Kinder echte, konkrete und originäre Erfahrungen machen und vielseitige Fähigkeiten erwerben können. Viele dieser Erfahrungen sind für Kinder und ihre Lebensbewältigung prägend. Der eigentliche Treibsatz der kindlichen Entwicklung – und auch die Essenz dessen, was allgemein als „Abenteuer“ bezeichnet wird, ist das von Renz-Polster beschriebene „Kribbel-Lernen“, welches in leuchtenden und wachen Kinderaugen sichtbar wird. Für die spielerische Entwicklungsbewältigung suchen sich Kinder – wenn sie können – einen adäquaten, und das heißt möglichst wenig strukturierten und damit gestaltbaren Entdeckungs- und Gestaltungsraum, in dem sie sich im Spannungsfeld zwischen Entdeckerfreude und Angst innere Schätze für sich entdecken und bergen, so Renz-Polster in seinem Vortrag. Der Bauernhof bietet mit seinen vielfältigen Bereichen die Möglichkeit diese Quellen der Entwicklung „anzuzapfen“ und Beziehungen zu Bäumen, zu Pflanzen, Tieren aber auch zu immer wiederkehrenden Abläufen, zu Stimmungen und Gerüchen für eine Vielzahl an Kindern erfahrbar zu machen.

Mit diesem Blick begann die Tagung, die erstmals in diesem zweitägigen Format in Süddeutschland von der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof (kurz BAGLoB) angeboten wurde. Nach dem Vortrag reflektierten die Teilnehmenden, vor allem LandwirtInnen und PädagogInnen, welche Erfahrungsräume in der pädagogischen Arbeit mit Kindern auf den Höfen bereits genutzt werden.

Der zweite Tag stand unter dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“. Ein großer Teil der Teilnehmenden sind erfahrene BauernhofpädagogInnen, die seit vielen Jahren ihre Höfe für Kinder und teils auch für Erwachsene öffnen. So wie Ingeborg Farion aus Ichenhausen (Bayern), die den TagungsteilnehmerInnen mithilfe eines lebendigen Erfahrungsberichts ihren Weg zur Erlebnisbäuerin schilderte. Seit 2014 bietet die Erlebnisbäuerin ein pädagogisches Programm an, welches von Schulklassenbesuche über Jahreszeitenkurse bis hin zu Eltern-Kind-Veranstaltungen reicht. Ihre Angebote haben sich als ein wichtiges Standbein für den Bioland-Betrieb entwickelt. Mittlerweile muss die Bauernhofpädagogin keine Werbung mehr für ihre Veranstaltungen machen. Ihren Weg fand sie unter anderem durch den Austausch mit Gleichgesinnten, durch „netzwerken“ und über diverse Fortbildungsveranstaltungen.

In fünf Workshops konnten die Teilnehmenden der Tagung zudem neues Wissen erlangen und selbst aktiv werden. Elisabeth Seiler vom Heuhüpfer e.V. in der Nähe von Hannover zeigte Beispiele wie das komplexe Thema Landwirtschaft und Klimawandel für Kinder und Jugendliche anschaulich auf pädagogische Programme runtergebrochen werden kann. Wie man die hofeigenen Produkte zu einer leckeren Mahlzeit gemeinsam mit Kindern am Feuer zubereitet, davon berichteten die beiden erfahrenen Bauernhofpädagoginnen Sonja Ostermayer (Hofgut Rengoldshausen) und Susanne Rieber (Hof Höllwangen) und gaben dabei ihre Expertise weiter, welches Equipment beim Outdoor-Cooking hilfreich ist und wie das Kochen mit Kindern am Feuer am besten gelingen kann.

Mit der richtigen Schnitztechnik lassen sich in kurzer Zeit nicht nur mit Kindern z.B. kleine Flöten oder Vögel schnitzen. Holzbildhauer und Bauernhofpädagoge Sascha Vogelmann aus Hüffenhardt leitete dazu die Teilnehmenden an. Dass sich auch Bienen für die pädagogische Arbeit wunderbar einsetzen lassen, davon konnten sich die Teilnehmenden beim Workshop „Bienen in der bauernhofpädagogischen Arbeit“ mit Ulrich Hampl überzeugen. Der Bauernhof bietet sich als idealer Lernort im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an. Heike Delling und Lisa Klein führten in das Konzept BNE ein. Bei einem „Hof-Check“ konnten die Teilnehmenden selbst erörtern, an welchen Stellen sie ihre Programme im Sinne von BNE bereits umsetzen.

Neben den zahlreichen Informationen und Workshops gab es auch Zeit für Begegnungen und Austausch. Dieses neue Tagungsformat war ein Erfolg und stellt für die Zukunft ein denkbares regionales Zusatzangebot neben den jährlich von der BAGLoB organisierten Bundestagungen dar. Die Bundestagung Lernort Bauernhof ist der Treffpunkt für Akteure rund um das Lernen am Bauernhof und findet jährlich mit über 200 Teilnehmenden statt. Die nächste Tagung findet vom 17. März bis 19. März 2023 in Bielefeld (NRW) statt. 2024 können sich Interessierte wieder in Baden-Württemberg zusammenfinden und voneinander lernen, was den Lernort Bauernhof besonders macht.